Es ist in der heutigen Zeit sicher eine Seltenheit, dass ein Schüler nach mehr als vierzig Jahren ersten Kennenlernens seinen alten Lehrer bittet, einige Zeilen für eine Information über seine Arbeiten zu schreiben. Ich gestehe, dass ich nie gerne Zensuren oder Beurteilungen erteilte, aber in diesem Falle tue ich es wirklich gern, letztlich ist es auch ein Beweis der gegenseitigen Achtung, aus der sich meine freundschaftliche Beziehung zu Mensch und Werk „Detlev Nitschke“ entwickelte.
Soweit ich rückblickend beurteilen kann, gab es für Detlev Nitschke nicht die Jugendjahre eines angehenden Künstlers, angereichert mit den Zweifeln und der ständigen Suche nach wahrer künstlerischer Berufung. Sein Weg war durch die Lehre in einer lithographischen Anstalt in Berlin und den Aufstieg im reprotechnischen Bereich sowie durch ein zusätzliches künstlerisches Studium festgelegt.
Starken Einfluss auf seine künstlerische Motivation hatte der Berliner Maler Wolfgang Tritt, unter seiner Hand entwickelte sich Detlev Nitschke zum impressionistischen Architekturmaler. Seine berufliche Ausbildung zum Lithograph prägte auch den Künstler in ihm, sein akribisches Bemühen um Wahrheit, Richtigkeit und Realismus – jedoch aufgrund seiner liebenswerten Art dem Impressionismus mehr zugeneigt als allen anderen Stilrichtungen der Malerei. Mit wachen, kritischen Augen beobachtet er alles um sich herum: bemerkt alles Lebendige, erfasst die Bewegung eines Körpers, erspäht eine schnelle, spontane Geste, spürt dem Sonnenkringel nach, der auf morbidem Mauerwerk seinen Weg sucht – dies alles auch in den Stunden der Muße bei einem Espresso auf der Piazza in Verona, Venedig oder Rom.
Seine Begegnung mit dem Süden, dem vibrierenden Licht der Toscana, der Architektur Norditaliens, der Vitalität der Menschen, der Mobilität des Lebens, all dies hat ihn meines Erachtens stark beeinflusst. Das Spiel des Lichts mit all seinen farblichen Effekten beseelt seine Bilder, das besagt: aus der Momentaufnahme, dem Lidschlag zum Festhalten des Augenblicks, wird der starren Materie Bild die Seele und damit Leben eingehaucht.
So wirkt bei Detlev Nitschke ein Stück kalte Mauer durch die Sonne erwärmt, eine Figur in ihrer Drehung nicht eingefroren, das flimmernde vergängliche Licht
eines Sonnentages verschmilzt mit der starren Architektur zu einer Impression wohltuender Harmonie und Lebendigkeit.
Wenn in einem Bild erreicht wird, nach den Worten Monets das darzustellen, „was zwischen dem Objekt und dem Künstler steht, nämlich die Schönheit der Atmosphäre“, wenn üppiges Licht ein reizvolles Spiel mit Farben treibt, durchleuchtet und erhellt, dann ist es in jeder Hinsicht im Sinne Monets eine „Impression“ und somit auch ein „Nitschke“.
Prof. Heinz Kraus – Hochschule der Künste, Berlin